Eric Richard Kandel: Der Nobelpreisträger, der Psychologie und Neurowissenschaften verknüpfte

* 7. November 1929 als Erich Richard Kandel in Wien

Eric Kandel wurde im Jahr 2000 mit dem Nobelpreis für Physiologie oder Medizin ausgezeichnet, den er gemeinsam mit dem schwedischen Forscher Arvid Carlsson und dem amerikanischen Forscher Paul Greengard erhielt. Diese Auszeichnung wurde verliehen für „Entdeckungen zur Signalübertragung im Nervensystem“, mit denen die Forscher die chemischen und molekularen Grundlagen der neuronalen Kommunikation offenlegten. Kandel spezialisierte sich darauf, wie Erinnerungen und Lernprozesse im Gehirn auf zellulärer Ebene stattfinden und langfristig verankert werden können. Seine Arbeit ist besonders relevant für die Psychologie, da sie das biologische Fundament für Gedächtnisprozesse enthüllt und verdeutlicht, wie Informationen in neuronalen Netzwerken gespeichert werden. Für die Psychologie ist dies ein Schlüsselelement, weil es die Brücke zwischen Verhaltensforschung und Biologie schlägt.

Vom Flüchtling zum Wissenschaftler

Eric Kandel wurde 1929 in Wien geboren und floh als Kind jüdischer Abstammung 1939 mit seiner Familie vor den Nationalsozialisten nach New York. Diese frühen Erfahrungen der Flucht und des Verlustes prägten sein späteres Interesse am Gedächtnis und an der Frage, wie Erinnerungen bewahrt und verarbeitet werden. Obwohl Kandel ursprünglich Psychiater werden wollte, entdeckte er im Labor seine Faszination für die zellulären Mechanismen des Gehirns. Seine Arbeiten sind geprägt von der Überzeugung, dass „Wissen der Schlüssel zu Selbstverständnis und Verständnis der Welt ist.“

Synaptische Plastizität und das Gedächtnis

Der Kern von Kandels bahnbrechender Forschung lag in seinen Experimenten an der Meeresschnecke Aplysia californica, einem einfachen Modellorganismus mit großen Nervenzellen, die für Untersuchungen ideal waren. Er entdeckte, dass Lernprozesse durch chemische Veränderungen in den Synapsen ablaufen, die die Übertragung von Informationen zwischen Nervenzellen stärken oder schwächen können – ein Prozess, der als „synaptische Plastizität“ bekannt ist. Dieser Mechanismus zeigte, dass durch die Verstärkung und Modifikation synaptischer Verbindungen neuronale Netze entstehen, die das Gedächtnis bilden.

Kandel konnte in diesen Experimenten demonstrieren, dass sich Kurzzeitgedächtnis und Langzeitgedächtnis auf verschiedenen biochemischen Wegen etablieren. Während das Kurzzeitgedächtnis auf temporäre chemische Veränderungen basiert, erfordert das Langzeitgedächtnis die Synthese neuer Proteine, die die Verbindungen zwischen den Neuronen stabilisieren. Diese Entdeckung, dass Lernen und Gedächtnis in spezifischen neuronalen Strukturen verankert sind, ist fundamental für das Verständnis der Psychologie, da sie zeigt, wie mentale Prozesse in physischen Strukturen des Gehirns abgebildet werden.

Einfluss auf Psychologie und Gesellschaft

Die Auswirkungen von Kandels Arbeit auf Psychologie und Gesellschaft sind tiefgreifend. Seine Forschung zeigte, dass psychologische Prozesse wie Lernen und Gedächtnis tatsächlich biologische Grundlagen haben und nicht rein „geistige“ Phänomene sind. Dies hat nicht nur das Feld der Neurowissenschaften nachhaltig geprägt, sondern auch die Psychologie und Psychiatrie fundamental verändert, da diese Disziplinen nun ebenfalls biologisch-neurologische Perspektiven einbeziehen. Die Erkenntnisse zur Plastizität des Gehirns bieten außerdem neue Ansätze zur Behandlung von psychischen Störungen, Traumata und Gedächtnisverlust, was durch neue Methoden wie die Neuroplastizitätstherapie zunehmend in die Praxis einfließt.

Wichtige Werke

Einige der wichtigsten Bücher und Artikel von Eric Kandel sind „In Search of Memory[1][2], das seine Forschung und Biografie miteinander verknüpft und dabei auch die kulturellen Einflüsse auf die Wissenschaft thematisiert, sowie „The Age of Insight[3], in dem er die Verbindung zwischen Kunst, Wissenschaft und dem menschlichen Gehirn untersucht. Weitere wissenschaftliche Arbeiten, darunter seine Veröffentlichungen in Neuron und Science, sind für Studierende der Psychologie von großem Wert, da sie die Brücke zwischen Verhaltenspsychologie und neuronaler Biologie schlagen und damit einen ganzheitlichen Ansatz für das Verständnis des menschlichen Geistes bieten. Eric Kandel hat gezeigt, dass psychologische und biologische Forschung untrennbar miteinander verbunden sind – eine Perspektive, die weiterhin viele psychologische und neurologische Theorien und Methoden beeinflussen wird.

Zitate

Als ich den Nobelpreis bekam, wollten ihn viele Österreicher für sich reklamieren. Da musste ich einigen erst erklären, dass ich Amerikaner bin.
Jetzt kam die Überraschung: Statt auf wütende Volksmengen von Österreichern zu stoßen, wurde Hitler von einer satten Mehrheit der Bevölkerung begeistert begrüßt.
When I was a medical student in the 1950s, we practically never spoke about Alzheimer's disease. And why is that so? And that is because people didn't live long enough to have Alzheimer's disease.
My heart beats in three-quarter time.

Fazit

Eric Kandel hat durch seine bahnbrechenden Entdeckungen die Verbindung zwischen Psychologie und Neurowissenschaften nachhaltig geprägt. Seine Forschung zur synaptischen Plastizität legt das fundamentale biologische Fundament für das Verständnis von Lernen und Gedächtnis und eröffnet neue Wege in der Behandlung psychischer Störungen. Kandels Lebenswerk inspiriert weiterhin Wissenschaftler und Studierende gleichermaßen, die komplexen Prozesse des menschlichen Geistes und Gehirns zu erforschen und zu verstehen.




Literaturverzeichnis

Weitere Informationen







Mon, 30. Dec 2024 | 01



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