Die besten Lernstrategien enthüllt: So gelingt dein Studium mit der Forschung von Dunlosky
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Das Studium bringt viele Herausforderungen mit sich, insbesondere wenn es darum geht, das Lernen zu optimieren und gute Ergebnisse zu erzielen. In der Flut von Ratschlägen und Techniken kann es schwierig sein, herauszufinden, welche Ansätze wirklich effektiv sind. Genau hier setzt eine umfassende Studie von Dunlosky[1] an, die zehn verbreitete Lerntechniken evaluiert und ihre Effektivität bewertet hat. Dieser Artikel führt dich durch die wichtigsten Erkenntnisse der Studie und gibt dir konkrete Tipps, wie du diese im Studium umsetzen kannst.
Das Ziel der Studie
Dunlosky und sein Team wollten herausfinden, welche Lernstrategien für Studierende in verschiedenen Kontexten am effektivsten sind. Stell dir vor, du bereitest dich auf eine wichtige Prüfung vor und hast eine Woche Zeit. Die Wahl der richtigen Lerntechnik kann den Unterschied zwischen Erfolg und Frustration ausmachen. Genau hier setzt die Studie an, um Wege zu finden, wie du deinen Lernprozess optimieren kannst. Dabei analysierten sie zehn weit verbreitete Techniken anhand von Kriterien wie ihrer praktischen Anwendbarkeit, ihrer Wirksamkeit in verschiedenen Fächern und ihrer wissenschaftlich belegten Effekte auf das Langzeitgedächtnis. Die getesteten Inhalte umfassten Themen aus Biologie, Mathematik, Geschichte und Sprachwissenschaften, um die Techniken in unterschiedlichen akademischen Kontexten zu bewerten. Ziel war es, eine fundierte Orientierungshilfe für Lernende bereitzustellen.
Die untersuchten Techniken und ihre Bewertung
Die Autoren der Studie betrachteten zehn gängige Lerntechniken. Hier sind die Techniken zusammen mit einer Bewertung ihrer Effektivität:
1. Distributed Practice (Verteiltes Lernen)
Bewertung: Hoch
Beschreibung: Lerninhalte werden über einen längeren Zeitraum verteilt anstatt in einer Sitzung gebüffelt.
Warum diese Bewertung: Dieser Spacing-Effekt sorgt für eine bessere Verarbeitung und Speicherung von Informationen im Langzeitgedächtnis.
Beispiel: Statt acht Stunden vor der Klausur zu lernen, wiederholst du den Stoff täglich eine Stunde über zwei Wochen hinweg.
2. Practice Testing (Übungstests)
Bewertung: Hoch
Beschreibung: Du testest dein Wissen durch Selbsttests oder Übungsprüfungen.
Warum diese Bewertung: Tests aktivieren das Abrufgedächtnis und helfen, Wissenslücken zu erkennen. Dies macht sie besonders effektiv für das langfristige Lernen.
Beispiel: Du erstellst Karteikarten mit Fragen und testest dich selbst oder bearbeitest alte Klausuren.
3. Interleaved Practice (Vermischtes Lernen)
Bewertung: Hoch
Beschreibung: Du lernst verschiedene Themen oder Aufgabentypen abwechselnd, um dein Verstehen zu verbessern.
Warum diese Bewertung: Das Wechseln zwischen Themen fordert das Gehirn, Verknüpfungen zu bilden, und verbessert die Anpassungsfähigkeit des Wissens.
Beispiel: Beim Lernen für eine Mathematik-Prüfung übst du Geometrie, Algebra und Statistik abwechselnd, anstatt sie separat zu behandeln.
4. Self-Explanation (Selbsterklärung)
Bewertung: Mittel bis hoch
Beschreibung: Du erklärst dir selbst, wie neue Informationen mit bereits vorhandenem Wissen verknüpft sind oder wie du zu einer Lösung gekommen bist.
Warum diese Bewertung: Diese Methode ist besonders effektiv, da sie aktive Denkprozesse anregt und das Verstehen komplexer Inhalte fördert. Allerdings kann sie zeitaufwendig sein und erfordert Übung.
Beispiel: Während du eine mathematische Aufgabe löst, erklärst du: "Ich habe zuerst die Gleichung nach x umgestellt, weil das Ziel darin besteht, x zu isolieren."
5. Elaborative Interrogation (Vertiefendes Fragenstellen)
Bewertung: Mittel
Beschreibung: Du stellst dir selbst die Frage, warum eine bestimmte Tatsache wahr ist. Diese Methode hilft, Verbindungen zwischen neuen und bestehenden Informationen herzustellen.
Warum diese Bewertung: Obwohl diese Methode das Verstehen und Verknüpfen von Informationen fördert, ist sie weniger hilfreich bei isolierten Fakten oder bei Themen, die keine logischen Erklärungen bieten.
Beispiel: Wenn du lernst, dass Pflanzen Sauerstoff produzieren, fragst du: "Warum tun sie das?" Die Antwort könnte sein, dass dies ein Nebenprodukt der Photosynthese ist, die Energie für die Pflanze bereitstellt.
6. Keyword Mnemonic (Schlüsselwort-Mnemonik)
Bewertung: Mittel
Beschreibung: Du verknüpfst Schlüsselwörter mit mentalen Bildern, um Informationen besser zu behalten.
Warum diese Bewertung: Diese Methode eignet sich gut für isolierte Fakten oder Vokabeln, hat jedoch Grenzen bei komplexeren Themen.
Beispiel: Um dir "mitochondriale DNA" zu merken, stellst du dir vor, wie eine Batterie (die Mitochondrien symbolisiert) einen DNA-Strang auflädt.
7. Imagery for Text Learning (Visualisierung)
Bewertung: Mittel
Beschreibung: Du erstellst mentale Bilder der Inhalte, die du lernst.
Warum diese Bewertung: Visualisierungen können das Verstehen komplexer Prozesse erleichtern, sind jedoch nicht für alle Arten von Lerninhalten anwendbar.
Beispiel: Beim Lernen der Funktionsweise des Herzens stellst du dir bildlich vor, wie Blut durch die verschiedenen Kammern gepumpt wird.
8. Summarization (Zusammenfassen)
Bewertung: Niedrig
Beschreibung: Du schreibst Zusammenfassungen des Lernmaterials, um den Kerninhalt zu erfassen.
Warum diese Bewertung: Zusammenfassungen helfen nur, wenn die wichtigsten Inhalte korrekt erfasst werden. Viele Studierende neigen dazu, unkritisch alles aufzuschreiben, was die Effektivität mindert. Das gleiche gilt für fertige Zusammenfassungen - hier wird der Effekt stark gemindert, da das auseinandersetzen mit dem Material fehlt.
Beispiel: Du fasst nach einer Vorlesung die wichtigsten Punkte des Themas "Römisches Recht" zusammen.
9. Highlighting/Underlining (Markieren/Unterstreichen)
Bewertung: Niedrig
Beschreibung: Wichtige Passagen werden im Text hervorgehoben, um sie später leichter wiederzufinden.
Warum diese Bewertung: Markieren ist oft passiv und führt nicht zu einer tieferen Verarbeitung des Materials. Häufig werden zu viele Stellen markiert, was die Übersicht erschwert.
Beispiel: Beim Lesen eines Biologie-Lehrbuchs markierst du die Definition von "Zellatmung".
10. Rereading (Erneutes Lesen)
Bewertung: Niedrig bis mittel
Beschreibung: Du liest den Lernstoff mehrfach, um ihn besser zu verinnerlichen.
Warum diese Bewertung: Wiederholtes Lesen ist wenig aktiv und oft ineffizient, kann aber sinnvoll sein, um ein grundlegendes Verständnis zu festigen.
Beispiel: Du liest das Kapitel über Elektromagnetismus aus deinem Physikbuch ein zweites Mal.
Die zwei effektivsten Lernmethoden
Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass Practice Testing und Distributed Practice die effektivsten Techniken sind. Jetzt sehen wir uns genauer an, warum diese beiden Methoden so wirksam sind und wie du sie konkret einsetzen kannst:
Practice Testing
Wissenschaftliche Grundlage:Tests aktivieren das Abrufgedächtnis und verstärken so die Verknüpfungen zwischen Informationen im Gehirn. Das regelmäßige Abrufen von Wissen verbessert nicht nur das Langzeitgedächtnis, sondern hilft auch dabei, Wissenslücken zu erkennen.
Praktische Anwendung- Nutze Karteikarten-Apps wie Anki oder RemNote, um dich selbst abzufragen.
- Organisiere Lerngruppen, in denen ihr euch gegenseitig Fragen stellt.
- Simuliere Prüfungen mit alten Klausuren oder Beispielaufgaben.
Wenn du für eine Geschichte-Klausur lernst, erstelle Fragen wie: "Was waren die Hauptursachen des Ersten Weltkriegs?" und beantworte diese, ohne in deinen Notizen nachzuschauen.
Distributed Practice
Wissenschaftliche Grundlage:Das Gehirn verarbeitet und speichert Informationen besser, wenn sie in mehreren, zeitlich getrennten Sitzungen wiederholt werden. Dies nutzt den sogenannte "Spacing Effect", bei dem Inhalte durch Pausen dazwischen stärker im Gedächtnis verankert werden.
Praktische Anwendung:- Erstelle einen Lernplan, der den Stoff in kleine Einheiten aufteilt.
- Wiederhole Inhalte in immer größer werdenden Abständen (z. B. 1 Tag, 3 Tage, 7 Tage).
- Nutze Erinnerungs-Apps, um dich an Wiederholungen zu erinnern.
Du lernst Vokabeln für eine Fremdsprache. Statt sie an einem Tag alle auswendig zu lernen, wiederholst du sie täglich in kleinen Gruppen.
Wie du andere Techniken sinnvoll einsetzen kannst
Obwohl einige Techniken wie Highlighting oder Rereading weniger effektiv bewertet wurden, haben sie dennoch ihre Berechtigung, wenn sie mit anderen Methoden kombiniert werden. Beim Lernen ist es auch besonders wichtig, dass du für dich selbst herausfindest, wie du verschiedene Methoden kombinierst und für welches Lernmaterial du mit welchem Methodenmix am besten zurechtkommst.
Kombination von Highlighting und Practice Testing
Das Markieren von Textstellen kann helfen, den Fokus auf wichtige Inhalte zu legen, die du später für Selbsttests nutzen kannst. Markiere nicht wahllos, sondern selektiv. Als Faustregel gilt: Markiere maximal 10-15 % des Textes, um die wichtigsten Informationen hervorzuheben, ohne die Übersichtlichkeit zu verlieren.
BeispielBeim Lesen eines Lehrbuchs über Chemie markierst du wichtige Formeln und Definitionen, die du dir anschließend durch Fragen einprägst.
Selbsterklärung als Ergänzung
Selbsterklärung eignet sich besonders gut, um das Verstehen komplexer Zusammenhänge zu vertiefen. Diese Technik kann helfen, ein Thema in eigene Worte zu fassen und dadurch besser zu verstehen.
BeispielBeim Lernen über die Funktionen des Nervensystems erklärst du dir selbst, wie Signale über Synapsen von einer Nervenzelle zur anderen übertragen werden.
Häufige Fehler vermeiden
Viele Studierende verlassen sich auf weniger effektive Techniken wie reines Wiederlesen oder wildes Markieren. Ein Beispiel für wildes Markieren wäre, wenn jemand nahezu jeden zweiten Satz eines Textes hervorhebt, ohne darauf zu achten, ob die markierten Stellen wirklich wichtig sind. Dies führt oft dazu, dass der Text am Ende kaum übersichtlicher ist und die Lernenden den Fokus verlieren. Hier sind Tipps, wie du solche Gewohnheiten überwinden kannst:
- Rereading sinnvoll einsetzen: Lies den Text nicht einfach mehrfach durch, sondern kombiniere das Lesen mit Selbsttests oder Fragen.
- Highlighting begrenzen: Markiere nur Schüsselpunkte und verknüpfe sie mit eigenen Notizen.
- Nicht alles auf einmal lernen: Vermeide Marathon-Lernsitzungen und setze auf verteilte Wiederholung.
Fazit: Effektives Lernen ist planbar
Die Studie von Dunlosky et al. zeigt, dass nicht alle Lerntechniken gleich effektiv sind. Um dein Studium erfolgreicher zu gestalten, solltest du dich auf die wirksamsten Methoden konzentrieren: Practice Testing und Distributed Practice. Kombiniere diese Methoden mit ergänzenden Ansätzen wie Selbsterklärung oder elaborativen Fragen, um noch mehr aus deinem Lernen herauszuholen.
Mit einem bewussten Einsatz dieser Techniken kannst du nicht nur effizienter lernen, sondern auch nachhaltig bessere Ergebnisse erzielen – und das ohne den Stress des "Last-Minute-Lernens". Probiere diese Strategien gleich aus und sieh selbst, wie sie dein Lernen verbessern!
Übrigens: Verabschiede dich von der einen "wahren und perfekten Methode" mit der du dir "alles und für immer merken" kannst. So etwas gibt es nicht und vergessen ist ein ganz natürlich Prozess - also sei nicht zu streng mit dir.
Literatur
[1]: Dunlosky, J., Rawson, K. A., Marsh, E. J., Nathan, M. J., & Willingham, D. T. (2013). Im-proving Students’ Learning With Effective Learning Techniques: Promising Di-rections From Cognitive and Educational Psychology. Psychological Science in the Public Interest: A Journal of the American Psychological Society, 14(1), 4–58. https://doi.org/10.1177/1529100612453266